Kapitel 1
Die Geburt des Universums

5   Expansion, Strahlungs- und Materiedichte

Zusammenfassung von Teilen des Buchkapitels:

Schauen wir uns das Universum etwa eine Stunde nach dem Urknall an: Es ist mit einem dichten, etwa 170 Millionen Grad Kelvin heißen Plasma aus Elektronen, Photonen und verschiedenen Atomkernen angefüllt. Diese Teilchen fliegen wird durcheinander und stehen dabei in enger Wechselwirkung miteinander. Die Photonen entsprechen bei dieser Temperatur einer sehr intensiven elektromagnetischen Röntgen- und Gammastrahlung, die einen hohen Strahlungsdruck ausübt und die jede Zusammenballung des Plasmas verhindert. Atome können sich bei dieser energiereichen Strahlung noch nicht bilden -- sie würden von den Photonen sofort wieder zerstört.

Bei den Atomkernen bestehen etwa 3/4 des Gewichts aus Wasserstoff-Atomkernen (Protonen) und etwa 1/4 aus Helium-Atomkernen, d.h. auf 100 H-Atome kommen 8 bis 9 Heliumatome. In Spuren kommen noch Deuteriumkerne, Helium-3-Kerne, Tritiumkerne, Berillium-7-Kerne sowie Lithium-6- und Lithium-7-Kerne vor. Schwerere Atomkerne gibt es nicht, und Temperatur und Dichte sind bereits so gering, dass keine Veränderungen der stabilen Atomkerne mehr vorkommen. Das Verhältnis der chemischen Elemente liegt damit zunächst einmal fest.

Neben dem heißen Plasma gibt es noch eine weitere Materiekomponente: die dunkle Materie, die mit dem heißen Plasma praktisch nicht (nur über die Gravitationskraft) in Wechselwirkung tritt. Wie bereits erwähnt, besteht diese dunkle Materie vermutlich aus schweren, noch unbekannten Elementarteilchen, wie sie beispielsweise von der sogenannten Supersymmetrie gefordert werden. Da sich die dunkle Materie praktisch nicht um das heiße Plasma kümmert, haben die vielen energiereichen Photonen auf sie keinen Einfluss: der Strahlungsdruck der elektromagnetischen Strahlung wirkt sich auf die dunkle Materie nicht aus!

Im Gegensatz zur ersten Stunde des Universums, die von rasanten Entwicklungen gekennzeichnet war, geschieht nun die nächsten Jahrtausende nichts weiter, als dass sich das Universum weiter ausdehnt und das Plasma sich dabei weiter abkühlt. Dabei gilt für die sehr zahlreichen Photonen, die die Temperatur des Universums maßgeblich bestimmen, folgendes Gesetz:

  • Zusammenhang zwischen Temperatur, Photonenzahl und Photonen-Energiedichte (Stefan-Boltzmann-Gesetz):

    In der elektromagnetischen Wärmestrahlung bei einer Temperatur T ist die Anzahldichte N und die Energiedichte ρ der Photonen (pro Kubikzentimeter) gegeben durch die Formeln

      N   =   20,28 T 3 /cm3

      ρ   =   7,56464 ·10−22 J   T 4 /cm3   =   0,00472148 eV   T 4 /cm3

    In diesen Formeln muss die Temperatur T in Kelvin angegeben werden. Der Ausdruck   /cm3   bedeutet pro Kubikzentimeter. Die Formel zeigt, dass die Anzahldichte und noch mehr die Energiedichte der Photonen bei steigender Temperatur sehr stark anwächst.

Die obigen Formeln ermöglichen es uns nun leicht, beispielsweise für die heutige kosmischen Hintergrundstrahlung die Photonendichte und die Energiedichte auszurechnen. Setzen wir   T = 2,73 K   ein, so erhalten wir 413 Photonen pro Kubikzentimeter mit einer Energiedichte von 0,26 eV pro Kubikzentimeter. Unser gesamtes Universum ist heute mit dieser Photonendichte angefüllt.

Wie entwickelt sich die Dichte der Photonen, wenn sich das Universum ausdehnt? Allgemein wird sich die Photonendichte proportional zu   1/r3   verhalten, d.h. gerade so verringern, wie die Raumvolumina zunehmen (   r   ist hier der Radius einer beliebigen, hinreichend großen, mitexpandierenden Raumkugel, siehe Zusatzinfos unten).

Die Wellenlänge der Photonen wächst proportional zu   r   an, denn die Welle dehnt sich mit dem Raum zusammen aus. Nun ist die Photonenenergie gerade proportional zu 1/Wellenlänge, d.h. verdoppelt sich die Wellenlänge, so halbiert sich die Photonenergie. Insgesamt verhält sich die Photonenergie also proportional zu 1/r .

Das aber bedeutet: Die Photonen verlieren bei der Ausdehnung des Universums Energie! Wo aber geht diese Energie hin? Nun, man könnte versucht sein, zu sagen, dass die Energie in eine Art potentielle Energie des gesamten Universums übergeht (siehe Zusatzinfos unten), doch das ist problematisch. Tatsächlich ist es in der allgemeinen Relativitätstheorie nicht möglich, einen universellen Energiebegriff für beliebige dynamische Raumzeiten inclusive darin enthaltener Materie zu definieren. Daher ist der Energieerhaltungssatz für das Universum als Ganzes mit der darin enthaltenen Materie nicht ohne Weiteres gültig (siehe beispielsweise Wikipedia: Energieerhaltungssatz ). Photonen verlieren bei der Ausdehnung Energie, ohne dass diese im üblichen Sinn irgendwo hin gehen muss. Letztlich hat der Energieerhaltungssatz seinen Ursprung in der sogenannten Zeittranslationssymmetrie, d.h. in der Freiheit, einen Zeitnullpunkt beliebig zu wählen. Für das Universum als Ganzes gilt diese Symmetrie nicht -- schließlich gibt es den Urknall. Mehr zu diesem Thema siehe auch Michael Weiss and John Baez: Is Energy Conserved in General Relativity? sowie Tamara M. Davis: Verliert das Universum Energie?, Spektrum der Wissenschaft, Nov. 2010.

Die Photonen-Energiedichte ist gleich der Photonendichte mal der Energie der Photonen. Sie verhält sich also proportional zu   1/r4   . Verdoppelt sich der Referenzabstand der Galaxien bei der Raumausdehnung, so fällt die Photonen-Energiedichte auf 1/16 ab.

Man kann zeigen, dass die Verteilung der Photonen auf die einzelnen Wellenlängen auch nach einer Raumausdehnung immer noch derjenigen einer Wärmestrahlung entspricht, nur bei einer anderen Temperatur als vorher. Wir können nun leicht ermitteln, wie sich diese Temperatur bei der Raumausdehnung verhält, denn wir wissen von oben, dass   N ∼ T3   und   ρ ∼ T4   gilt (Stefan-Boltzmann-Gesetz, das Zeichen   ∼   bedeutet proportional), und wir haben gerade herausgefunden, dass   N ∼ 1/r3   und   ρ ∼ 1/r4   gilt. Also muss für die Temperatur einer eigenständigen elektromagnetischen Wärmestrahlung (Photonen)   T ∼ 1/r   gelten. Verdoppeln sich bei der Expansion die Raumabstände, so halbiert sich die Temperatur einer eigenständigen elektromagnetischen Wärmestrahlung!

Bereits mithilfe des Newtonschen (klassischen) Gravitationsgesetzes kann man sich überlegen, wie sich eine gleichförmig verteilte Materie unter dem Einfluss der Gravitation verhält, d.h. wie sich die Materiedichte im Lauf der Zeit verhält. Auf diese Weise kann man herleiten, wie sich die Expansion des Universums zeitlich entwickelt. Details dazu siehe weiter unten bei den Zusatzinformationen (Friedmann-Gleichung).

Schauen wir uns an, welche die dominierende Materieform in den einzelnen Phasen des Universums ist. In den ersten Sekunden ist die Situation klar: die Temperatur ist so hoch, dass die gesamte Materie relativistisch, also strahlungsartig ist. Das Universum ist also am Anfang strahlungsdominiert. Während es sich ausdehnt und abkühlt, fällt die Energiedichte proportional zu 1/r4 ab.

Sobald sich jedoch bei niedrigerer Temperatur die Teilchen der dunklen Materie und die Nukleonen nichtrelativistisch verhalten, sinkt deren Materie-/Energiedichte nur noch proportional zu 1/r3 ab, sodass sie irgendwann die Energiedichte der Strahlung (Photonen) überflügeln. Das Universum geht dann von einem strahlungsdominierten Zustand in einen Materiedominierten Zustand über. Dies geschieht einige zehntausend Jahre nach dem Urknall. Bei der Teilchendichte bleiben jedoch die Photonen bis zum heutigen Tag die weitaus dominierende Teilchensorte, die rund eine Milliarde mal häufiger ist als die nichtrelativistischen Teilchen. Sie bestimmen daher auch heute noch die mittlere Temperatur des Universums.



Zusatzinformationen:

a) Friedmann-Gleichung, Energiebilanz, Zustandsgleichung und die Expansion des Universums
b) in Arbeit ...



a) Friedmann-Gleichung, Energiebilanz, Zustandsgleichung und die Expansion des Universums

Um die Expansion des Universums zu beschreiben, benötigt man streng genommen die allgemeine Relativitätstheorie. Man kann jedoch auch mit sehr viel einfacheren Mitteln die korrekten Gleichungen zumindest motivieren und anschaulich interpretieren. Dazu verwenden wir, dass die Materiedichte das Universum gleichförmig erfüllt, sobald wir genügend große Bereiche betrachten. Im heutigen Universum wären das Bereiche von etwa einer Milliarde Lichtjahre Durchmesser. Ein beliebiger kugelförmiger Raumbereich ab dieser Größenordnung ist charakteristisch für das gesamte heutige Universum, denn jeder andere kugelförmige Raumbereich dieser Größe sieht praktisch genauso aus. Es ist egal, wo wir die gedachte Kugel im Universum platzieren, sofern die Materie darin hinreichend homogen ist. Im Ballonbild würden wir analog dazu irgendwo auf der Ballonoberfläche einen kleinen Kreis einzeichnen.



Darstellung der Expansion des Universums durch eine mitexpandierende Kugel. Copyright: Jörg Resag


Wir wollen uns nun die Expansion einer solchen Raumkugel genauer ansehen. Dabei soll der Kugelmittelpunkt gegenüber der kosmischen Materie ruhen und der Kugelrand synchron mit der kosmischen Materie mitexpandieren, sodass die Kugel gleichsam parallel zur expandierenden Materie mitgedehnt wird. Bei einem Kugelradius von 0,5 Milliarden Lichtjahre läge die Expansionsgeschwindigkeit des Kugelrandes bei rund 10 000 km/s. Das ist weit genug von der Lichtgeschwindigkeit (300 000 km/s) entfernt, so dass wir nichtrelativistisch argumentieren und die Geschwindigkeit des Kugelrandes als Relativgeschwindigkeit zum Kugelzentrum interpretieren können. Die Relativitätstheorie berücksichtigen wir nur dadurch, dass wir gemäß der Formel   E = m c2   auch Energiedichten (Strahlung) eine Trägheit und eine Gravitationswirkung zuschreiben.

Die Expansion der Kugel wird durch die Gravitation gesteuert. Dabei kann man zeigen, dass die Materie außerhalb der Kugel überhaupt keinen Einfluss hat, da sich ihre Gravitationswirkung insgesamt zu Null aufsummiert. Letztlich ist diese Auslöschung in der Kugelsymmetrie begründet. Die Gravitationswirkung, die auf Materie am Kugelrand wirkt, entsteht also alleine durch die Materiemenge, die sich innerhalb der Kugel befindet. Im Gravitationsfeld dieser Materiemenge mit Gesamtmasse   M   besitzt ein kleines Objekt mit Masse   m   am Kugelrand die potentielle Energie (Lageenergie oder auch Gravitationsenergie)   Epot = − G·m·M/r  , wobei   G   die Gravitationskonstante und   r   der Kugelradius ist. Das negative Vorzeichen bedeutet dabei, dass Energie gebraucht wird, wenn man das Objekt vom Kugelzentrum wegbewegen möchte.

Der Kugelrand expandiert mit der Geschwindigkeit   v   und führt dabei unser kleines Objekt mit sich, so dass dieses sich mit der Geschwindigkeit   v   radial vom Kugelzentrum entfernt. Seine kinetische Energie (Bewegungsenergie) ist in diesem Bezugssystem mit ruhender Kugel also gegeben durch   Ekin = m·v2/2   , und seine Gesamtenergie ist

  Eges   =   Ekin + Epot   =   m·v2/2   −   G·m·M/r

Die obige Gleichung beschreibt die Wechselwirkung zwischen Gravitation und Expansion über den Energieaustausch zwischen Bewegungsenergie und Gravitationsenergie, wobei die Gesamtenergie zeitlich konstant ist. Tatsächlich werden wir so dieselben Gleichungen erhalten, wie sie sich auch aus der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben, einschließlich der Gravitationswirkung des Drucks.

In der allgemeinen Relativitätstheorie ist diese Gesamtenergie mit der Krümmung des Universums verknüpft. Eine negative Gesamtenergie bedeutet ein positiv gekrümmtes Universum analog zu einer Ballonoberfläche, eine positive Gesamtenergie bedeutet ein negativ gekrümmtes Universum analog zu einer Satteloberfläche, und eine Gesamtenergie von Null bedeutet ein flaches Universum analog zu einer flach gespannten Gummihaut. Ohne die Berücksichtigung des Drucks dehnt sich bei positiver Gesamtenergie die Raumkugel und mit ihr das Universum ewig weiter aus, da die Bewegungsenergie nie durch die Gravitationsenergie aufgezehrt wird. Bei negativer Gesamtenergie wäre dagegen die Bewegungsenergie irgendwann erschöpft und die Expansion würde in ein Schrumpfen der Kugel übergehen, so wie bei einem hochgeworfenen Stein, der den höchsten Punkt seiner Flugbahn überschritten hat. Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigen, dass unser Universum tatsächlich weitgehend flach ist, sodass Bewegungsenergie und Gravitationsenergie sich gegenseitig kompensieren. Das passt zum Mechanismus der inflationären Expansion, nach dem die Energie der Materie durch Anzapfen der Gravitationsenergie entstanden ist.

Wir wollen die obige Gleichung noch in die Standardform bringen, die in der Kosmologie üblich ist, so dass in ihr der Hubble-Parameter   H = v/r   vorkommt. Dazu verwenden wir, dass die Materiedichte   ρ   überall annähernd gleich groß ist, und setzen   M = (4/3)·π·r3·ρ   ein, wobei   (4/3)·π·r3   das Kugelvolumen ist. Die entstehende Gleichung multiplizieren wir mit dem Faktor   2/(m r2)   und stellen sie noch etwas um. Wir wollen diese Zwischenschritte hier nicht alle ausschreiben, da man sie bei Bedarf leicht nachrechnen kann. Das Ergebnis lautet:

  H2   =   8·π·G/3 · ρ   +   2·Eges/(m r2)

Meist schreibt man den zweiten Summanden in dieser Gleichung noch etwas um, indem man   r = a r0   verwendet. Dabei ist   r0   die heutige Kugelausdehnung und   a   ist der zeitabhängige Skalenfaktor. Der Wert   a = 1/2   bedeutet beispielsweise, dass die Kugel zu diesem früheren Zeitpunkt nur halb so groß war wie heute. Der zweite Summand lautet also   2·Eges/(m r2)   =   2·Eges/(m·a2·r02)   . Die einzige zeitabhängige Größe darin ist der Skalenfaktor   a   . Nun dürfen weder der Hubble-Parameter   H   noch die Materiedichte   ρ   in unserer obigen Gleichung davon abhängen, wie groß die gedachte Kugel heute ist oder wie schwer das kleine Objekt am Kugelrand ist, denn Kugel und Objekt sind nur Hilfskonstruktionen, um die Expansion des Universums zu beschreiben. Also darf der zweite Summand ebenfalls weder von   r0   noch von   m   abhängen. Daher kann man eine Konstante   K   definieren, sodass   2·Eges/(m·a2·r02)   =   − K·c2/a2   wird, wobei man üblicherweise wie angegeben das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit   c   sowie ein Vorzeichen noch herauszieht. Damit erhalten wir die sogenannte Friedmann-Gleichung:

Friedmann-Gleichung:

  H2   =   8·π·G/3 · ρ   −   K·c2/a2

Inhaltlich sagt die Friedmann-Gleichung genau dasselbe für ein gleichförmig expandierendes homogenes Universum wie unsere Energiegleichung weiter oben, denn wir haben diese Gleichung ja nur umgeschrieben. Beispielsweise sagt sie, dass der Hubble-Parameter   H   mit wachsender Materiedichte   ρ   anwächst (und zwar proportional zur Wurzel aus der Dichte, sofern das Universum flach oder die Dichte sehr groß ist). Ein dichteres Universum expandiert schneller.

Für ein flaches Universum (also   K = 0   ) sagt die Friedmann-Gleichung, dass die Dichte   ρ   einen bestimmten Wert haben muss, den wir erhalten, wenn wir die Gleichung nach der Dichte freistellen. Diese Dichte ist die sogenannte kritische Dichte, die wir bereits kennengelernt haben:

kritische Dichte:

  ρcr   =   3 H2/(8·π·G)

Da der Hubble-Parameter   H   zeitabhängig ist, verändert sich auch die kritische Dichte im Lauf der Zeit. Expandiert das Universum zu einem Zeitpunkt schneller, so ist auch die kritische Dichte zu dieser Zeit größer. Wie wir bereits wissen, entspricht die Dichte im heute sichtbaren Universum im Rahmen der Messgenauigkeit gerade dieser kritischen Dichte, sodass unser Universum flach ist. Die inflationäre Expansion sorgt dafür, dass sich die kritische Dichte automatisch sehr genau einstellt, sodass sie im Lauf der weiteren Expansion bis heute erhalten bleibt.

Die Friedmann-Gleichung reicht alleine noch nicht aus, um die Expansion des Universums zu beschreiben, denn sie liefert lediglich den Zusammenhang zwischen Dichte   ρ   und Expansion   H = v/r   , nicht aber die zeitliche Änderung dieser Größen. Die zeitliche Änderung der Materiedichte können wir aus der lokalen Energieerhaltung in der Kugel ableiten. Ohne die spezielle Relativitätstheorie würden wir davon ausgehen, dass sich die in der Kugel enthaltenen Gesamtmasse   M   nicht ändert, denn die Kugelschale bewegt sich mit der Materie mit, sodass keine Materie die Kugel betritt oder verlässt. Wir wissen aber, dass nach der Relativitätstheorie auch Energie eine Trägheit besitzt und Gravitation erzeugt.   M   umfasst also nicht nur ruhende Massen, sondern auch in der Kugel befindliche Energien, wobei wir Massen ebenfalls als Energieform auffassen können. So wird beispielsweise die Masse von Proton und Neutron zu fast 99 Prozent durch das starke Kraftfeld erzeugt, das die Quarks zusammenhält. Daher können wir die Größe   M·c2   als die in der Kugel enthaltene Gesamtenergie inklusive der Massen auffassen.

Diese Größe kann sich ändern, wenn Energie die Kugel verlässt. Über sich bewegende Materie oder Strahlung geschieht dies aber nicht, denn die Kugelschale bewegt sich mit der Materie mit und es dringt ebensoviel Strahlung durch die Kugelschale nach innen wie nach außen. Dennoch gibt es einen Energiefluss, und zwar aufgrund des Drucks, den Materie und besonders Strahlung aufweisen. Wenn sich nämlich der Kugelradius um einen sehr kleinen Betrag   dr   ausdehnt, so wirkt eine Druckkraft   F   entlang dieser Strecke   dr   und verrichtet am Medium außerhalb der Kugel die Arbeit   F·dr   (genau genommen muss die Expansion dafür adiabatisch verlaufen, also so langsam, dass das thermische Gleichgewicht ständig annähernd erhalten bleibt und die Entropie in der Kugel sich nicht ändert). Die Druckkraft auf die Kugeloberfläche (bzw. auf das Medium außerhalb der Kugel) ist nun gleich dem Druck   P   mal der Kugeloberfläche   4·π·r2   , d.h. es wird die Arbeit   P · 4·π·r2 · dr   verrichtet. Diese Arbeit muss von der Kugel aufgebracht werden, d.h. um diesen Betrag muss die Massen/Energiemenge   M·c2   innerhalb der Kugel sinken:

  dM·c2   =   − P · 4·π·r2 · dr

Dabei ist   dM   die Massenänderung, die dem Energieverlust in der Kugel entspricht (es ist üblich, die kleine Änderung einer Größe durch ein vorangestelltes d zu kennzeichnen, d.h.   dM   ist eine kleine Änderung von   M   und   dr   eine kleine Änderung von   r   ). Bei positivem Druck (also Druck nach außen) ist diese Massen/Energieänderung negativ, da Arbeit von der expandierenden Kugel am äußeren Medium verrichtet wird; die Masse bzw. Energie in der Kugel sinkt also. Bei negativem Druck wie bei einem Inflatonfeld ist die Massen/Energieänderung dagegen positiv, denn es muss von außen der Kugel Energie zugeführt werden, analog zu einem Gummiband, das man auseinanderzieht.

Wir wollen die obige Formel noch durch die kleine Zeitspanne   dt   teilen, in der sich der Radius um den kleinen Betrag   dr   vergrößert, d.h.   dr/dt   ist die Geschwindigkeit   v   , mit der die Kugel expandiert, und   dM/dt   ist die Rate, mit der sich die Kugelmasse pro Zeit ändert. Zusätzlich teilen wir durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit und erhalten

  dM/dt   =   − (P/c2) · 4·π·r2 · v

Nun wissen wir von oben, dass   M   =   (4/3)·π·r3·ρ   ist (also Dichte mal Kugelvolumen). Die zeitliche Änderung der Masse kann sich also in der zeitlichen Änderung des Kugelradius oder in der zeitlichen Änderung der Dichte niederschlagen. Mathematisch ist die zeitliche Änderung   dM/dt   die erste Ableitung der Masse   M   nach der Zeit   t   , und man kann sie mithilfe der Produktregel ausrechnen:

  dM/dt   =   (4/3)·π·r3 · dρ/dt   +   4·π·r2 · ρ · v

Im ersten Term nach dem Gleichheitszeichen äußert sich die Massenänderungsrate in der zeitlichen Dichteänderungsrate   dρ/dt   und im zweiten Term in der Kugelvergrößerung. Links können wir nun für die Massen/Energieänderungsrate   dM/dt   den Ausdruck von oben einsetzen, wie er durch die am äußeren Medium verrichtete Arbeit zustande kommt:

  − (P/c2) · 4·π·r2 · v   =   (4/3)·π·r3 · dρ/dt   +   4·π·r2 · ρ · v

Hier können wir noch durch das Kugelvolumen   (4/3)·π·r3   teilen und die Gleichung etwas umstellen. Die entstehende Gleichung bezeichnet man auch als lokale Energieerhaltung, lokale Energiebilanz oder auch als Strömungsgleichung:

lokale Energiebilanz:

  dρ/dt   +   3·H·(ρ + P/c2)   =   0

Wir werden gleich noch sehen, wie sich diese Gleichung auswirkt, wenn wir normale Materie, Strahlung oder ein Inflatonfeld betrachten.

Offenbar spielt der Druck bei der lokalen Energiebilanz eine wichtige Rolle. Daraus kann man ableiten, dass der Druck analog zur Dichte eine Quelle für die Gravitationskraft darstellt, ganz im Sinne von Einsteins Gravitationsgesetz. Um das zu sehen, setzt man in der Friedmann-Gleichung   H = v/r   ein, multipliziert mit   r   , leitet nach der Zeit   t   ab, teilt durch   2·r·v   und setzt schließlich für   dρ/dt   die lokale Energiebilanz ein. Als Ergebnis erhält man die folgende Beschleunigungsgleichung für die Gravitationsbeschleunigung   dv/dt   , die auf ein Objekt am Kugelrand wirkt:

Beschleunigung der Expansion (Gravitationsgesetz):

  (dv/dt) / r   =   − (4·π/3)·G/c2 · (ρ·c2 + 3·P)

Sowohl die Massen/Energiedichte   ρ·c2   (in Energieeinheiten ausgedrückt) als auch der Druck   P   bewirken also eine Gravitationsbeschleunigung, wobei das negative Vorzeichen anzeigt, dass diese bei positivem Druck anziehend wirkt (die Dichte ist sowieso immer positiv). Wenn allerdings der Druck negativ und sein Betrag genügend groß ist, so kann die Klammer rechts negativ werden und die Beschleunigung   dv/dt   wird positiv. Die Gravitation wirkt dann abstoßend und Expansionsgeschwindigkeit   v   nimmt ständig zu. Das kennen wir von der inflationären Expansion, und es sieht ganz so aus, als ob auch im heutigen Universum ein entsprechend großer negativer Druck wirkt, der die Expansion langsam wieder beschleunigt.

Man kann sich noch einmal klar machen, wo der Druckterm für die Beschleunigung in der obigen Gleichung herkommt: Ausgangspunkt war die Energiebilanz   Eges   =   Ekin + Epot   =   m·v2/2   −   G·m·M/r   , wobei   Eges   konstant sein sollte. Der Druckterm spiegelt nun die Änderung der in der Kugel enthaltene Masse/Energie   M   wieder: Bei positivem Druck wie z.B. bei Strahlung wird   M   aufgrund der Rotverschiebung immer kleiner, sodass die negative Gravitationsenergie entsprechend betragsmäßig verstärkt abnimmt. Damit   Eges   konstant bleiben kann, muss auch die Bewegungsenergie am Kugelrand und damit die Geschwindigkeit   v   entsprechend schneller schrumpfen als im nichtrelativistischen Fall (bei dem   M   konstant ist). Bei stark negativem Druck wird dagegen   M   und mit ihr die negative Gravitationsenergie betragsmäßig immer größer, da die Energiedichte konstant bleibt und das Kugelvolumen proportional zu   r3   wächst. Das muss durch eine ständig wachsende Bewegungsenergie und damit ein wachsendes   v   ausgeglichen werden. Die positive anwachsende Bewegungsenergie wird also aus der negativen wachsenden Gravitationsenergie gespeist, d.h. die Gravitation liefert die Energie für die inflationäre Expansion.

Neben der Friedmann-Gleichung und der lokalen Energiebilanz benötigen wir noch eine dritte Information, um die Expansion des Universums festzulegen: Wir müssen wissen, wie Druck und Dichte miteinander zusammenhängen. Dies kann für verschiedene Materietypen ganz unterschiedlich sein und wird durch eine entsprechende Zustandsgleichung festgelegt. Schauen wir uns die drei wichtigsten Materietypen genauer an:



All diese Überlegungen haben wir aus nur drei Gleichungen hergeleitet: der Friedmann-Gleichung, die den Austausch zwischen Gravitationsenergie und Bewegungsenergie beschreibt, der lokalen Energiebilanz, welche die Änderung der Massen/Energiedichte beschreibt und dabei die Druckarbeit am Medium außerhalb der Kugel berücksichtigt, sowie der jeweiligen Zustandsgleichung, die den Zusammenhang zwischen Druck und Dichte herstellt.



b) in Arbeit ...

??


Literatur zu dem Thema:


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last modified on 03 March 2012